Herzlichen Willkommen heute am Sonntag Jubilate.
Ihr ahnt es schon, worum es heute geht: um den Weinstock.
Vor einem Jahr haben unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden Weinstöcke bekommen.
Ich sehe sie noch, wie sie vorne am Altar stehen – ein ganzer Weinberg voll wogendem Grün. Schön war das, so frisch und hoffnungsvoll. Letzten Sonntag hätten sie Konfirmation gehabt, nächsten Sonntag wäre Jubelkonfirmation geplant gewesen. Ich finde das so unglaublich schade und traurig, dass wir diese Feste nicht feiern können und verschieben müssen. So vieles kann nicht stattfinden: Chöre, Seniorennachmittage, Freizeiten; Gottesdienste sind nun ja wieder möglich, aber mit großen Einschränkungen, mit Mundschutz, ohne Abendmahl, richtige Freude über die ersten zaghaften Erleichterungen mag sich da bei mir nicht einstellen.
Und ich spüre, wie die Freude des Sonntags Jubilate mir nicht so recht über die Lippen kommen will. Ich fühle mich ehr kraftlos und fruchtlos.
Und dann schau ich diesen Weinstock hier an. Alt ist er, schon ganz verholzt und knorrig und doch: er treibt erstes Grün. Die Blätter, vor kurzem noch nicht zu sehen, entfalten sich, und es werden auch heuer wieder Reben wachsen, Trauben reifen dürfen und auch dieser alte, knorrige Weinstock wird Frucht bringen.
Jesus vergleicht sich mit einem Weinstock wenn er sagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringet viel Frucht. (Johannesevangelium, Kapitel 15,Vers 5)
Und er sagt dies seinen Jüngern zu, auch nicht an einem Jubeltag, sondern an einem Tag, als er die Jünger auf seinen Abschied vorbereitet. „Wenn ich weggehe, dann bleibt zusammen“, sagt er. „Geht nicht auseinander, sonst wird eure Botschaft kraftlos und alles, wofür ich gelebt habe und gestorben bin, wird verdorren. Nein, bleibt verbunden mit mir und untereinander, damit das Leben weitergeht. Damit die frohe Botschaft sich ausbreitet, Menschen inspiriert und Frucht bringt.“
Eigentlich ganz einfach: Dranbleiben, verbunden bleiben mit dem Weinstock und mit den anderen Reben. Ein schönes Bild. Wir, die Reben werden alle durchströmt mit der Lebenskraft, die der Weinstock seinen Reben schenkt, ganz selbstverständlich, ganz automatisch geschieht das. Wenn die Reben mit dem Weinstock verbunden sind, werden sie versorgt mit allem, was sie zum Leben brauchen. Verbunden mit Christus wächst auch uns das zu, was wir zum Leben brauchen: Widerstandskraft, die Fähigkeit zu lieben, zu verzeihen, die Lebensfreude, der Mut, die Geduld, auch Zeiten der Dürre auszuhalten. Verbunden mit dem Weinstock werden die Reben die Kraft bekommen, die sie brauchen. Verbunden zu bleiben mit dem auferstanden Christus, im Hören auf sein Wort, im Gebet, in der Stille, im Gespräch mit anderen, das wird etwas mit uns machen, das wird uns verändern, ganz selbstverständlich, das geht gar nicht anders.
Und das macht mir bewusst, ich bin nicht die einzige Rebe am Weinstock des Herrn. Die Reben sind untereinander verbunden. Wir merken in diesen Tagen wie wichtig es ist, die Verbundenheit aufrecht zu erhalten mit den Menschen, die uns brauchen, die wir lieben, die auf uns angewiesen sind, oder auf die wir angewiesen sind. Wir Menschen brauchen einander, wir brauchen die Gemeinschaft. Wir können alleine nicht überleben.
Wie groß wird die Freude sein, wenn wir dann wirklich wieder miteinander an einem Tisch sitzen dürfen. Wenn wir das Fest des Lebens feiern dürfen und vom Wein der Freude trinken dürfen, der niemals zu Neige geht.
Gehen Sie behütet in die neue Woche!
Ihre Pfrin. Birgit Winkler
Lied: Ich bin der Weinstock (KAA Nr. 076)
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben,
Früchte könnt ihr bringen nur durch mich.
Wenn ihr in mir bleibt, schenk ich euch Leben.
Meine treuen Jünger segne ich.
Und die Früchte, die wir bringen,
sollen unsere Taten sein:
Helfen und teilen, gut sein und trösten
können wir mit Jesus nur allein.
Wer nicht in mir bleibt, kann nichts vollbringen,
keine gute Tat, kein gutes Wort.
So wie die Rebe ohne den Weinstock
keine Früchte bringt und dann verdorrt.
Wenn ihr in mir bleibt, habt ihr das Leben.
Bittet, worum immer ihr auch wollt.
Dann wird mein Vater euch alles geben,
dass ihr seine Huld erfahren sollt