Andacht zum Wochenspruch

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

 Meditation mit einem Weizenkorn:

In meiner Hand liegt ein Weizenkorn.

Das kleine Weizenkorn ist hart, steinhart sogar. Die Schale schützt und verschließt das Innere des Korns. Wenn es so bleibt, dann geschieht nichts. Das Korn bleibt allein, es wird nicht leben. Das Weizenkorn ist verschlossen, abgeschlossen und man ahnt kaum, was alles in diesem Korn steckt. Der ganze Bauplan für eine Ähre ist schon in ihm angelegt. Eine rauhe Schale, ein lebendiger Kern!

Wenn das Korn in die Erde gelegt wird, wenn es Nässe und Dunkelheit erträgt, wenn die Schale gesprengt wird, wenn das Korn scheinbar abstirbt, dann beginnt es zu wachsen, dann keimt es und fängt an zu leben.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

Ist es in meinem Leben auch so? Gelingt es nur, wenn ich ein Stück von mir hergebe, bereit bin, meine vertraute Gestalt verändern zu lassen, wenn ich Vertrautes loslassen, Abschied nehmen kann?

Ich merke, wie mir das Angst macht: Was wird aus mir werden, wenn ich mich dieser Veränderung, dieser Wandlung aussetzte? Was wird geschehen, wenn ich mich öffne, mich der Dunkelheit aussetze, wenn ich etwas von mir abgebe, sterben lasse? Wird es schmerzen, wenn die Schale gesprengt wird?

Was ist es bei mir, das sterben muss? Vielleicht mein Stolz, meine Einbildung, ohne mich liefe nichts, ich wäre unersetzlich? Das Vertrauen auf meine eigene Kraft, die Angst vor der Schwäche, vor den leeren Händen? Ohne Wandlung – kein Leben. Ohne Sterben, Abschiednehmen – kein Wachstum.

In diesen Tagen, verändert sich durch das Corona Virus unser aller Leben radikal. Jeden Tag erreicht uns eine neue Nachricht, wie wir uns verhalten sollen. Kommt die Ausgangssperre? Wie gehen wir mit Beerdigungen um, mit Seelsorgegesprächen? Was kommt auf uns zu? Ein Ende ist noch nicht abzusehen, denn der Virus hat offenbar noch keineswegs seinen Höhepunkt erreicht.

Wir spüren deutlich, wie verletzlich und fragil unser Leben ist. So vieles verändert sich. Und ich merke, das Ungewisse macht mir Angst, ich möchte doch am liebsten, das alles so bleibt, wie ich es kenne und mag.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

Leben ist Wandlung, ist Veränderung, es bleibt nicht stehen. Ich habe es so erlebt: Durch Krisen in meinem Leben wurden wichtige Verwandlungs- und Veränderungsprozess angestoßen. Abschiede von Vertrautem waren dazu nötig, auch manche Durststrecke, manche Dunkelheit auszuhalten. Und ich bin da noch nicht am Ende. Der Weg der Wandlung ist noch nicht abgeschlossen.

Wachsen durch Krisen hindurch, das ist es, was wir in diesen Zeiten hoffentlich auch erfahren würden. Vielleicht wächst ein neues Bewusstsein dafür, was wirklich wichtig ist. Ich rufe Menschen an, mit denen ich schon länger keinen Kontakt mehr hatte. Telefonkonferenzen, Streaming Dienste, Skype werden neu entdeckt. Wie freut sich der Großvater plötzlich die Enkel am Bildschirm seines PCs sehen zu können, wenn er mit ihnen spricht. So viele Dinge relativieren sich; der kleinliche Streit mit dem Nachbarn, das Unkraut im Garten, das Gehetzt Sein durch Termine und Fristen, alles plötzlich so unwichtig.

Ja klar, ich bin nicht blauäugig, es gibt auch genau das Gegenteil: dass Menschen nur an sich denken, rücksichtslos Klopapier und Desinfektionsmittel hamstern, die gebotene Distanz zum Anderen nicht einhalten, einfach nicht verstehen wollen, wie ernst die Lage ist.

In der Krise wächst nicht nur das Rettende, auch das Schlimmste im Menschen kommt zum Vorschein.

Und doch: lasst uns das Kleine, Zarte nicht verachten. Das, was im Dunklen keimt und wächst, was ans Licht drängt und wachsen und Frucht bringen will. Die Liebe, die von sich absehen kann und sich hingibt für die anderen. Ich denke an die vielen Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden, die Kassiererinnen im Supermarkt. Sie machen ihre Arbeit, gehen an ihre Grenzen, bis zur Erschöpfung. Sie setzen sich dem Risiko aus zu erkranken, um zu helfen, um die Schwachen und Kranken nicht allein zu lassen. Medizinstudierende helfen aus, wo sie können, junge Menschen kaufen für ihre kranken und alten Nachbarn ein.

Ja, es wächst auch das Rettende in diesen Tagen.

Jesus sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Er spricht dabei von sich selbst, von dem Tod, der ihm bevorsteht – und von dem neuen Leben, zu dem Gott ihn erwecken wird. Denn Gott wird durch ihn zeigen: er schafft Leben, selbst dort, wo es eigentlich gar nicht mehr geht.

Auch wir werden wieder aufleben, werden wieder all das tun dürfen, was Freude macht. Vielleicht werden wir es umso mehr genießen, nach dieser Zeit des Rückzugs.

Gott ist bei uns, selbst dann, wenn alles trostlos erscheint. Er gibt uns die Kraft, Frucht zu bringen, Gutes zu bewirken.

Darauf will ich vertrauen.

Amen.

Lied: Korn, das in die Erde

  1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, / Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt – / Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, / wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. / Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, / unser Herz gefangen in Gestrüpp und ­ Dorn – / hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien: / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

 

Gebet:

Christus, ich danke dir, daß du für uns zum Weizenkorn geworden bist und uns so das Leben ermöglicht hast.

Danke für die Menschen, die so selbstverständlich ein Stück von sich hergeben, damit ich leben kann. Für die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden, die Polizistinnen und Polizisten, die Verkäuferinnen in den Supermärkten, alle, die die ihre kranken und alten Nachbarn unterstützen. Gott, vergilt du ihnen all das Liebe und Gute.

Ich denke an die Kinder, die in schlimmen Verhältnissen aufwachsen müssen. Gib du ihnen, Gott der Liebe, trotzdem die Chance der Entfaltung und des Lebens.

Ich denke an die Menschen, die Vergangenes nicht loslassen können, die unerledigte Dinge mit sich herum schleppen: nie geweinte Tränen, unausgesprochene Ängste, nicht durchlittene Abschiede. Hilf Ihnen Altes loszulassen, damit neues Leben wachsen kann.

Gott hilf uns selbst, damit wir dem Weizenkorn gleich werden, das seine Schale öffnen läßt, das voll Vertrauen loslassen kann und so lebendig ist und Frucht bringt.

Vater unser

Segen

Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen.