Der gute Hirte – Andacht zum Sonntag Miserikordias Domini

Es gibt so viele Bilder für Gott: Gott als Licht, als Burg, als Mutter oder Vater, als Glucke, die ihre Küken unter ihren Flügeln birgt. Ein Bild hat für mich eine ganz besondere Kraft, zu trösten. Das ist das Bild, das unser heutiger Sonntag in den Blick nimmt: Das Bild des guten Hirten.

Ein Bild, das mich von früher Kindheit an begleitet. Gott als Hirte, der für seine ihm anvertrauten Schafe sorgt. Der sie zu grüner Weide führt. Der darauf bedacht ist, dass sie satt werden an Leib und Seele. Der sie beschützt vor wilden Tieren, vor Feinden, die ihnen schaden wollen. Der in den Härten des Lebens bei ihnen ausharrt. Bei Wind und Wetter, in Sturm und Regen, in Hitze und Dürre. Der sich kümmert, wenn eines krank wird. Und der alles unternimmt, um ein Schaf, das sich verlaufen hat, wieder zurückzuholen.

Das Bild des Hirten, der sein Schäfchen in seinem Arm birgt, erzählt mir von Gott, der mich genauso in seinen Arm beschützt und bewahrt in Zeit und Ewigkeit.

Und es berührt mich immer wieder neu. Der Psalm 23 beschreibt genau diese Erfahrung von Geborgenheit, Schutz und Vertrauen in wunderbaren Worten:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Wie oft haben wir diesen Psalm gebetet: An Geburtstagen voller Dankbarkeit, dass Gott mich bewahrt hat auf dem Weg durchs Leben: Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.

An Krankenbetten ringend um dem Trost dieser Worte: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn bist du bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

Wenn ich mich verlaufen hab, meinen Weg verloren, nicht weiß, wie es weitergehen soll: Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und das Vertrauen wächst: Gott wird mir einen neuen Weg zeigen, den ich gehen kann.

In Situationen, in denen ich mich von Feinden umgeben erfahre, gemobbt, kleingemacht, ausgegrenzt: Du breitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Und ich atme auf. Erhebe mein Haupt. Spüre meine Würde. Und fühle mich liebevoll angeschaut und berührt.

An Sterbebetten, am Grab: Als Worte, die einen neuen Horizont eröffnen und ich in der Tiefe spüre, dass es stimmt: Mir kann nichts Schlimmes geschehen: Denn ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

Mögt Ihr dies auch erfahren, dass ihr behütet und bewahrt seid vom guten Hirten in Zeit und Ewigkeit.

Eure Pfrin. Birgit Winkler

 

Psalm 23

Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Auffahren mit Flügeln wie Adler – Andacht zum Sonntag Quasimodogeniti

Hebt eure Augen in die Höhe und seht!
Wer hat all dies geschaffen?
Er führt ihr Heer vollzählig heraus
und ruft sie alle mit Namen;
seine Macht und starke Kraft ist so groß,
dass nicht eins von ihnen fehlt.
Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst:
„Mein Weg ist dem Herrn verborgen,
und mein Recht geht an meinem Gott vorüber?“
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?
Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat,
wird nicht müde noch matt,
sein Verstand ist unausforschlich.
Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;
aber die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,

dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40, 26-31)

 

Hebt die Augen und seht!

So ruft der Prophet Jesaja es seinem Volk Israel zu. 80 Jahre im Exil in Babylon. Fern von der Heimat. Fern vom Tempel, dem steingewordenen Ort der Gegenwart Gottes. Abgeschnitten von allem, woran das Herz hing. Müde waren sie geworden, matt, der Glaube ganz klein und verzagt. Und sie fragen sich: Wie können wir den Glauben an Gott hier in der Fremde leben?  Der Tempel in Jerusalem liegt in Trümmern am Boden. Wer weiß, ob wir jemals wieder zurückkehren dürfen? Und ob wir dann die Kraft haben werden, wieder ganz von vorne anzufangen?

Wir wissen heute auch noch nicht, wann dieser durch die Corona Krise bedingte Shutdown beendet sein wird, wann wir wieder Gottesdienst feiern dürfen in unseren Kirchen. Wie das alles weitergehen kann, wenn der ganze Spuk vorbei sein wird. Und wir werden nach sechs Wochen Ausgangsbeschränkungen auch langsam müde und fragen: Hey Gott, hast du uns vergessen? Ist es dir egal, wenn so viele Menschen jetzt um ihre Existenz bangen müssen, wenn die Gewalt in Familien zunimmt, weil die Konflikte eskalieren. Siehst du nicht, wenn Menschen in den Alten – und Pflegeheimen sich einsam fühlen, weil sie keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen können, oder ihren letzten Weg unbegleitet antreten müssen? Wo bist du, Gott?

Hebt die Augen und seht! ruft uns Jesaja zu.

Ich wende meinem Blick weg von dem, was mich herunterziehen will, was meinen Gang müde und schleppend macht.
Und ich hebe die Augen auf und sehe.
Ich sehe die Werke der Schöpfung, und staune über diese Wunder, die Gott tut. Einfach so. Geschenkt. Mir und dir. Jeden Tag neu.
Ich sehe den Himmel über mir, die Weite,
und ich atme die Luft, die ich mit allem Lebendigen teile.

Hey Mensch, weißt du nicht, dass du Teil dieser Schöpfung Gottes bist? Gesehen, geliebt, beim Namen gerufen. Niemals würde Gott dich vergessen.

Und ich sehe den Vogelflug.
Der Adler, der sich erhebt,
alle Erdenschwere hinter sich lässt.
Er vertraut sich dem Wind an, der Strömung der Luft.
Leicht und schwerelos gleitet er dahin.

Die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.

Und ich bitte: Gott lass mich vertrauen,
dass deine Kraft mich trägt. Jeden Tag neu. Amen.

 

Wie kann ich spielen im fremden Land?
Abspringen ins Unvertraute?
die Sicherungen lösen
und die Hände öffnen?

Wohin fallen die Töne meines Liedes?
Wer fängt mein Lachen auf?
Ist alles offen
und kein Gegenüber?

Spielen ohne Sicherung,
Singen ins Offene
und lachen,
weil die Hoffnung wächst.

(Ruth Nickel)

Brannte nicht unser Herz? – Ostermontag

Ostermontag 2020 Emmaus

(Holzschnitt von Schmidt-Rottluff)

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Ein schier unglaublicher Satz! Und wenn wir uns schwer tun, daran zu glauben, dass da einer von den Toten aufersteht, dann sind wir in guter Gesellschaft.

Die Jüngerinnen und Jünger konnten es erst auch nicht glauben. Da gehen zwei wieder zurück in ihre alte Heimat, nach Emmaus. Sie sind traurig, sprechen kaum miteinander, jeder in seinen Gedanken versunken.
Da tritt ein Fremder zu ihnen und fragt: „Warum seid ihr denn so traurig?“
„Was, du weißt nicht, was in Jerusalem passiert ist? Sie haben unseren Herrn und Freund Jesus umgebracht!“
Und dann erzählen sie, was sie mit ihm alles erlebt haben. Dass, wenn er sprach, Menschen heilte, die Ärmsten und ja, die unmöglichsten Leute um sich versammelt hat, es so war, als stünde der Himmel ein bisschen offen.
Und wie unendlich traurig und enttäuscht sie nun seien, dass das alles vorbei sei. Es sei nun alles so sinnlos geworden.
Und der Fremde hört zu, fragt nach: Ja glaubt ihr denn nicht, dass Gott auch das Schlimmste und Schwerste, ja auch den Tod in die Hand nehmen kann, um ihn zu verwandeln?
Und während sie so reden und erzählen, da war es ihnen, als würde ihr Herz etwas leichter.
Und als die Sonne untergeht und sie bei einer Herberge angekommen sind, bitten sie den Fremden bei ihnen zu bleiben.
Und während sie so am Tisch sitzen und der Fremde mit ihnen das Brot bricht, da gehen ihnen mit einem mal die Augen auf und sie erkennen, wer da die ganze Zeit mit ihnen gegangen ist: Jesus, er lebt!Und in diesem Moment, als sie ihn erkennen und festhalten wollen, ist er entschwunden.

„Brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete?“ fragen sie sich:

Wann brannte ihr Herz? Wann haben Sie das gespürt, dass der lebendige Herr Sie berührt und ermutigt hat?
Vielleicht als Sie erfuhren: Meine Trauerwege sind nicht sinnlos. Ich bleibe mit dem verstorbenen Menschen verbunden. Für die Liebe ist der Tod keine Grenze.
Diese Momente, in denen sie leichter geatmet haben, als sie sich plötzlich geborgen und getragen fühlten. Wo Sie es wirklich tief in ihrem Herzen so empfunden haben: Ich bin geliebt, gewollt und bejaht von dem Schöpfer des Lebens. Nichts und niemand, weder Engel, Mächte noch Gewalten, weder Tod noch irgendetwas, was uns jetzt noch Angst macht, kann uns trennen von der Liebe Gottes.
Weder Anklagen noch Selbstanklagen, keine Schuld, kein Versagen kann uns trennen von der Liebe Gottes, die den Tod besiegt.

Vergnügt, erlöst, befreit, so dürfen wir unseren Weg gehen.

Jetzt hält sie nichts mehr, sie rennen den ganzen Weg nach Jerusalem zurück, um es den anderen zu sagen: Jesus lebt! Der Tod hat ihn nicht halten können!

Und er wird auch keinen von uns jemals halten können!

Ein frohes Osterfest!

Ihre Pfrin. Birgit Winkler

 

Ich bin vergnügt
erlöst
befreit
Gott nahm in seine Hände meine Zeit.
Mein Fühlen Denken
Hören Sagen
Mein Triumphieren
Und Verzagen
Das Elend
Und die Zärtlichkeit

Was macht, dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich

Was macht, dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist in meinen Sinn
Will mich durchs Leben tragen

Was macht, dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohl über alle Welt

(Hanns Dieter Hüsch)