Andacht zum Sonntag Judika

Andacht für Sonntag Judika, 29.3. 2020

Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns mit hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebräer 13, 12-14).

„Eigentlich wissen wir alle, so sagte Heinrich Böll einmal, dass wir hier auf der Erde nicht ganz zu Hause sind.“

In diesen Tagen, in denen ein fieser, kleiner unsichtbarer Virus ganze Staaten lahmlegt und unser persönliches Leben gehörig durcheinander wirbelt, da erfahren wir das ganz hautnah.

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Uns wird bewusst, wie fragil, wie zerbrechlich unser Leben ist. Was wir noch vor wenigen Wochen für völlig undenkbar hielten, dass das gesamte gesellschaftliche, politische, soziale Leben fast komplett auf Null gefahren wird, ist eingetreten.

Plötzlich sind wir mit Grenzen konfrontiert, die uns herauskatapultieren aus der vertrauen Welt des Alltags, aus der Stadt, in der man sich gut eingerichtet hatte, aus den Lebensplänen, den Werten, die wie sichere Mauern das Lebenshaus stabilisiert hatten. Vieles davon ist nun weggebrochen, hat sich nicht als standfest erwiesen, ist brüchig geworden

Die Stadt hat nicht gehalten, was sie versprochen hatte.

Wir müssen es hart und schmerzhaft in diesen Tagen erleben: Wir haben hier auf der Erde keine bleibende Stadt. Die Stadt, sie steht für Sicherheit, Verlässlichkeit, Schutz, aber auch für Macht, Ansehen, Gewinn und Erfolg.

Wer drin ist in der Stadt gehört zu den Gewinnern, wer draußen ist, hat leider verloren. Wie schnell ist man draußen, eine Krankheit, ein Unfall, eine Fehlentscheidung, Erfolglosigkeit. Allein, schutzlos allen Gefahren ausgesetzt, ohne Obdach, unbehaust, heimatlos.

Und genau dort, draußen vor den Toren der Stadt, draußen, wo selbst die Füchse keine Gruben habe und die Vögel keine Nester, draußen, bei denen, die unbehaust und heimatlos geworden sind, bei denen im Dunkeln, genau dahin geht Gott.

Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
Jesus selbst hat gelitten, gelitten wie wir draußen vor dem Tor. Jesus stirbt als ein Ausgestoßener.

Immer schon war dies sein Platz. Schon bei seiner Geburt in Bethlehem war für ihn kein Raum in der Herberge, Schon da war die Futterkrippe im Stall, draußen der Ort für den Retter der Welt.

Und auch später hatte er unsere ganze Heimatlosigkeit, Friedlosigkeit und Heillosigkeit mit gelitten:

Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter den Himmel haben Nester. Aber des Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Immer schon war Jesus „draußen“. Von Anfang an hat er um die Vergänglichkeit und Brüchigkeit der Stadt und ihrer scheinbaren Sicherheit, die sie vorgaukelt, gewusst. Er hat sich mit denen solidarisiert, die „draußen“ waren, die vor den Toren gelitten haben, die keiner besucht hat, die einsam und ohne Hoffnung waren, die vor den Trümmern ihres Lebens standen, die an Gott verzweifelt sind.

Den Kranken, den Zöllnern, den Armen hat er sich zugewandt. Die von den Hecken und Zäunen hat er zum Festmahl geladen. Zu den Verlorenen hat er sich gesandt gewusst, zu denen, die ihre Schuld nicht verdrängt haben, die sich nach Vergebung und Erlösung, ja nach einer Heimat gesehnt haben.

Für sie hat er sich ausgrenzen, verspotten und töten lassen, damit keiner, der draußen ist, sich von Gott im Stich gelassen fühlen muss.

Deshalb ist Gott Mensch geworden und für uns Menschen gestorben, dass wir mit seiner Hilfe in Gottes Liebe hineinsterben lernen. Es gibt keinen Ort, an dem er nicht wäre. Es gibt kein Draußen, das einsam und verloren genug wäre, als dass Gott es nicht erreichen könnte.

Gerade da, wo das Leben bedroht ist, ist Gott gegenwärtig.
Gerade da, wo Menschen leiden, ist Gott gegenwärtig.

Gerade da, beginnt dieses Wort zu sprechen und entfaltet seine ganze tröstende Kraft:

„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Immer schon haben Menschen sich ausgemalt wie es sein wird, wenn Gott kommt, wenn seine neue Welt sich durchsetzt gegen alle Widerstände. Und sie haben Bilder gemalt von der zukünftigen Stadt, dem himmlischen Jerusalem. Die Tore aus Perlen, die Mauern aus Edelsteinen, ganz golden der Marktplatz. Frisches Wasser durchströmt die Stadt, die Bäume tragen immerwährend Früchte, keiner muss mehr hungern und darben. Keiner muss Klopapier hamstern oder Nudeln. Es ist genug für alle da. Gerechtigkeit und Friede werden sich küssen. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; und Gott wird abwischen die Tränen von ihren Augen.

Was für ein Hoffnungsbild!  Wer auf die zukünftige Stadt hofft, ja wer sie jetzt und heute schon sucht, bekommt die Kraft gegen das Dunkel zu kämpfen. Dem macht das Draußen keine Angst, der wird genau dorthin Licht bringen, wo Menschen allein und ohne Hoffnung sind.

Und genau das erlebe ich in diesen Tagen eben auch: Balkonsingen, Licht der Hoffnung, Gabenzaun, Nachbarschaftshilfe, so viel Rettendes wächst in diesen Tagen. Lasst uns gemeinsam die zukünftige Stadt suchen.

Lasst uns gemeinsam hoffen und lieben und kämpfen, damit das Leben siegt.

Ihre Pfarrerin Birgit Winkler

Lied: Holz auf Jesu Schulter

 Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Refrain: Kyrie eleison, sieh wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
.

Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Refrain: Kyrie eleison

Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht.
Refrain: Kyrie eleison

Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Refrain: Kyrie eleison

Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.
Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?
Refrain: Kyrie eleison

Hart auf deiner Schulter, lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Refrain: Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
.

 

Licht der Hoffnung

Ab Montag laden evangelische wie katholische Kirchengemeinden in Stadt und Landkreis Fürth dazu ein, dass zum Abendläuten um 18 Uhr die Menschen Kerzen ins Fenster stellen und die Glocken zum Gebet einladen. Mit diesem Licht wollen wir in dieser schwierigen Zeit ein Zeichen der Hoffnung setzen.

Vorschlag für Gebet:

Glockengeläut

Zünden Sie eine Kerze an

Stille

Gott, ich bin hier. Und Du bist hier. Ich bete zu Dir. Und weiß: ich bin verbunden. Mit Dir. Mit anderen, die zu Dir beten. Genau jetzt. Genau so. Ich bin hier. Und Du bist hier. Das genügt. Und ich bringe Dir alles, was ist.

Stille

Gott, wir sind verbunden. Als Menschen mit Menschen. Als Glaubende miteinander.Als Glaubende und Menschen mit Dir. Wir sind verbunden mit dem Himmel. Wir bringen vor dich, was uns beschäftigt. Was Sorgen macht. Und wir bringen dir unseren Dank.

Stille

 Wir denken an alle, die wir lieben.

Stille

Wir denken an alle, die in diesen Zeiten noch einsamer sind als sonst.

Stille

 Wir denken an alle Kranken. Auch an die Kranken in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Stille

 Wir denken an alle, die helfen. Sie setzen sich und ihre Kraft und ihre Gaben ein für alle.

Stille

 Gott, wir sind mit dir verbunden. Und wir sind miteinander verbunden. In Gedanken, aber vor allem: im Herzen. Wir beten zu dir mit den Worten die uns alle verbinden:

Vater unser im Himmel …

Segen

Hände öffnen und laut sprechen:

Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Oder

Fenster öffnen. Einatmen. Ausatmen. Spüren, dass Du da bist. Spüren, dass andere da sind. Genau jetzt. Genau so. Verbunden. Miteinander. Mit Gott. Im Glauben. Einatmen. Ausatmen. Und leise sprechen „Gott spricht: Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein.“ (oder ein anderes Segenswort oder ein anderes Wort, das gerade Kraft gibt). Mehrmals wiederholen und dabei vielleicht lauter werden. Stille. Einatmen. Ausatmen. Fenster schließen.

Amen

Kerze auspusten

Andacht zum Wochenspruch

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

 Meditation mit einem Weizenkorn:

In meiner Hand liegt ein Weizenkorn.

Das kleine Weizenkorn ist hart, steinhart sogar. Die Schale schützt und verschließt das Innere des Korns. Wenn es so bleibt, dann geschieht nichts. Das Korn bleibt allein, es wird nicht leben. Das Weizenkorn ist verschlossen, abgeschlossen und man ahnt kaum, was alles in diesem Korn steckt. Der ganze Bauplan für eine Ähre ist schon in ihm angelegt. Eine rauhe Schale, ein lebendiger Kern!

Wenn das Korn in die Erde gelegt wird, wenn es Nässe und Dunkelheit erträgt, wenn die Schale gesprengt wird, wenn das Korn scheinbar abstirbt, dann beginnt es zu wachsen, dann keimt es und fängt an zu leben.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

Ist es in meinem Leben auch so? Gelingt es nur, wenn ich ein Stück von mir hergebe, bereit bin, meine vertraute Gestalt verändern zu lassen, wenn ich Vertrautes loslassen, Abschied nehmen kann?

Ich merke, wie mir das Angst macht: Was wird aus mir werden, wenn ich mich dieser Veränderung, dieser Wandlung aussetzte? Was wird geschehen, wenn ich mich öffne, mich der Dunkelheit aussetze, wenn ich etwas von mir abgebe, sterben lasse? Wird es schmerzen, wenn die Schale gesprengt wird?

Was ist es bei mir, das sterben muss? Vielleicht mein Stolz, meine Einbildung, ohne mich liefe nichts, ich wäre unersetzlich? Das Vertrauen auf meine eigene Kraft, die Angst vor der Schwäche, vor den leeren Händen? Ohne Wandlung – kein Leben. Ohne Sterben, Abschiednehmen – kein Wachstum.

In diesen Tagen, verändert sich durch das Corona Virus unser aller Leben radikal. Jeden Tag erreicht uns eine neue Nachricht, wie wir uns verhalten sollen. Kommt die Ausgangssperre? Wie gehen wir mit Beerdigungen um, mit Seelsorgegesprächen? Was kommt auf uns zu? Ein Ende ist noch nicht abzusehen, denn der Virus hat offenbar noch keineswegs seinen Höhepunkt erreicht.

Wir spüren deutlich, wie verletzlich und fragil unser Leben ist. So vieles verändert sich. Und ich merke, das Ungewisse macht mir Angst, ich möchte doch am liebsten, das alles so bleibt, wie ich es kenne und mag.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12, 24)

Leben ist Wandlung, ist Veränderung, es bleibt nicht stehen. Ich habe es so erlebt: Durch Krisen in meinem Leben wurden wichtige Verwandlungs- und Veränderungsprozess angestoßen. Abschiede von Vertrautem waren dazu nötig, auch manche Durststrecke, manche Dunkelheit auszuhalten. Und ich bin da noch nicht am Ende. Der Weg der Wandlung ist noch nicht abgeschlossen.

Wachsen durch Krisen hindurch, das ist es, was wir in diesen Zeiten hoffentlich auch erfahren würden. Vielleicht wächst ein neues Bewusstsein dafür, was wirklich wichtig ist. Ich rufe Menschen an, mit denen ich schon länger keinen Kontakt mehr hatte. Telefonkonferenzen, Streaming Dienste, Skype werden neu entdeckt. Wie freut sich der Großvater plötzlich die Enkel am Bildschirm seines PCs sehen zu können, wenn er mit ihnen spricht. So viele Dinge relativieren sich; der kleinliche Streit mit dem Nachbarn, das Unkraut im Garten, das Gehetzt Sein durch Termine und Fristen, alles plötzlich so unwichtig.

Ja klar, ich bin nicht blauäugig, es gibt auch genau das Gegenteil: dass Menschen nur an sich denken, rücksichtslos Klopapier und Desinfektionsmittel hamstern, die gebotene Distanz zum Anderen nicht einhalten, einfach nicht verstehen wollen, wie ernst die Lage ist.

In der Krise wächst nicht nur das Rettende, auch das Schlimmste im Menschen kommt zum Vorschein.

Und doch: lasst uns das Kleine, Zarte nicht verachten. Das, was im Dunklen keimt und wächst, was ans Licht drängt und wachsen und Frucht bringen will. Die Liebe, die von sich absehen kann und sich hingibt für die anderen. Ich denke an die vielen Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden, die Kassiererinnen im Supermarkt. Sie machen ihre Arbeit, gehen an ihre Grenzen, bis zur Erschöpfung. Sie setzen sich dem Risiko aus zu erkranken, um zu helfen, um die Schwachen und Kranken nicht allein zu lassen. Medizinstudierende helfen aus, wo sie können, junge Menschen kaufen für ihre kranken und alten Nachbarn ein.

Ja, es wächst auch das Rettende in diesen Tagen.

Jesus sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Er spricht dabei von sich selbst, von dem Tod, der ihm bevorsteht – und von dem neuen Leben, zu dem Gott ihn erwecken wird. Denn Gott wird durch ihn zeigen: er schafft Leben, selbst dort, wo es eigentlich gar nicht mehr geht.

Auch wir werden wieder aufleben, werden wieder all das tun dürfen, was Freude macht. Vielleicht werden wir es umso mehr genießen, nach dieser Zeit des Rückzugs.

Gott ist bei uns, selbst dann, wenn alles trostlos erscheint. Er gibt uns die Kraft, Frucht zu bringen, Gutes zu bewirken.

Darauf will ich vertrauen.

Amen.

Lied: Korn, das in die Erde

  1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, / Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt – / Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, / wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. / Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, / unser Herz gefangen in Gestrüpp und ­ Dorn – / hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien: / Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

 

Gebet:

Christus, ich danke dir, daß du für uns zum Weizenkorn geworden bist und uns so das Leben ermöglicht hast.

Danke für die Menschen, die so selbstverständlich ein Stück von sich hergeben, damit ich leben kann. Für die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden, die Polizistinnen und Polizisten, die Verkäuferinnen in den Supermärkten, alle, die die ihre kranken und alten Nachbarn unterstützen. Gott, vergilt du ihnen all das Liebe und Gute.

Ich denke an die Kinder, die in schlimmen Verhältnissen aufwachsen müssen. Gib du ihnen, Gott der Liebe, trotzdem die Chance der Entfaltung und des Lebens.

Ich denke an die Menschen, die Vergangenes nicht loslassen können, die unerledigte Dinge mit sich herum schleppen: nie geweinte Tränen, unausgesprochene Ängste, nicht durchlittene Abschiede. Hilf Ihnen Altes loszulassen, damit neues Leben wachsen kann.

Gott hilf uns selbst, damit wir dem Weizenkorn gleich werden, das seine Schale öffnen läßt, das voll Vertrauen loslassen kann und so lebendig ist und Frucht bringt.

Vater unser

Segen

Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen.